Vom Stielmus zum Kaviar

Stiftungsgründer und Hotelier Gerhard Günnewig war für manche Überraschung gut

Stiftungsgründer Gerhard GünnewigEs gibt Augenblicke, die bleiben einem ein Leben lang in Erinnerung. Für Jürgen Mönck, seinerzeit Direktor des Günnewig Hotel Esplanade, war es jener Tag im Jahr 1970, an den er sich zeitlebens erinnern wird: Gerade nach Düsseldorf zugezogen, saß er nun mit seiner Bewerbung um die Stelle eines Direktionsassistenten dem Chef des kleinen Gastronomie-Imperiums, Gerhard Günnewig, gegenüber und der stellte die in solchen Gesprächen wohl heikelste Frage „Was wollen Sie denn bei uns verdienen"? Mönck zögerte nicht lange: „1.200 Mark". Doch der Seniorchef zeigte sich entsetzt: „Das ist wahnsinnig viel Geld! Sie bekommen monatlich 1.000 Mark. Später können Sie dann bei mir so viel verdienen, wie Sie wollen."

Sparsamkeit, das war die erste herausragende Charaktereigenschaft, die der junge Direktionsassistent bei seinem neuen Chef registrierte. Verschwendungs- oder gar Prunksucht war ihm fremd und so mussten ihn die Mitarbeiter daran erinnern, wenn es nach einigen Jahren wieder mal höchste Zeit war, ein neues Auto zu kaufen, weil sich beim alten Gefährt an der einen oder anderen Stelle schon Rost zeigte. Unnötig brennende Lampen oder voll heizen bei offenen Fenstern, „so dass die Hirsche im Stadtwald schwitzen", waren ihm ein Gräuel.

Als Gerhard Günnewig am 5. Mai 1905 in Bochum geboren wurde, war sein erfolgreicher Weg als Hotelier und Gastronom quasi vorgezeichnet, führte sein Vater doch das Hotel „Zur Krone". Und so war Gerhard Günnewig von Kind an früh mit allem vertraut, was in einem gastronomischen Betrieb so anfällt. So ist es denn nicht verwunderlich, dass er 1930 im Alter von nur 25 Jahren mit seiner ersten Frau Else das Hotel „Zur Krone“ pachtete. Es war der erste Betrieb von Gerhard Günnewig, und viele andere sollten ihm noch folgen, so etwa Anfang 1932 die Bahnhofsgaststätte Düsseldorf (1933) und das Weinhaus „Tante Laura" in der Düsseldorfer Altstadt.

Der Krieg unterbrach zwar vorübergehend die Karriere des jungen und erfolgreichen Gastronomen, aber schon 1949 übernahm Gerhard Günnewig mit dem Hotel Atlantik Fürstenplatz in Düsseldorf wieder einen neuen Betrieb, dem 1952 das Hotel Esplanade folgte. Mit dem Hotel Savoy und der Hofkonditorei Bierhoff kamen im Jahr 1954 zwei weitere Betriebe hinzu. 1962 wurde der „Ring der Gastlichkeit“ um das „Teehaus Grafenberg“ an der Düsseldorfer Rennbahn, sowie um das Börsenhotel erweitert. Ein Jahr zuvor begann mit der Übernahme der Godesburg das Bonner Engagement der Firma. Parallel dazu engagierte sich Günnewig in der Nachbarstadt Neuss mit der Bewirtung der Stadthalle.


Gerhard Günnewig mit Hans Dietrich Genscher

Mit der Polit-Prominenz auf Augenhöhe: Gerhard Günnewig begrüßt den damaligen Außenminister Hans Dietrich Genscher

Im Alter von 67 Jahren dachte Gerhard Günnewig keineswegs daran, sich zur Ruhe zu setzen, sondern errichtete in Bonn das hochmoderne achtstöckige Hotel Bristol. Später kamen noch das Residence in Bonn und die Redoute, ehemaliges Gästehaus der Bundesregierung, hinzu und schließlich folgte unmittelbar nach der Wende das Engagement in Chemnitz mit der Übernahme des Chemnitzer Hofs.

Hotels gesammelt, wie andere kostbare Briefmarken

Jürgen Monk, einer der ehemaligen Mitarbeiter, die den „Senior" wohl mit am längsten gekannt und in seiner unmittelbaren Nähe gestanden haben, erinnert sich vor allen Dingen daran, dass Disziplin und Zuverlässigkeit weitere herausragende Eigenschaften seines langjährigen Chefs waren. Morgens der erste, abends der letzte im Betrieb, eine Unternehmerpersönlichkeit, wie sie wohl heute kaum noch anzutreffen ist.

Der Tagesablauf des Seniors begann mit Frühsport, danach wurden noch vor dem Frühstück in einem einstündigen Telefonat in allen Häusern die Umsätze des vergangenen Tages abgefragt, die er sich exakt merken konnte und dann ging es in das Verwaltungsbüro in der Pionierstraße 5", so erinnert sich Mönck. Von dort aus leitete er das Unternehmen, das damals insgesamt beinahe dreimal so viele Mitarbeiter hatte wie heute.

Gegen Mittag traf er sich dann mit seiner Ehefrau zum Essen im Esplanade, wo er so manchen Koch zur Verzweiflung brachte, weil er partout nicht à la carte essen mochte, sondern sich statt Schnitzel oder Braten lieber ein frisches Gemüsegericht kochen ließ. Keine LUXORIÖSEN Sachen, aber Speisen, die etwas zeitaufwendiger waren, vor allen Dingen, wenn sie „außer der Reihe" und nebenher zubereitet werden mussten.

Das westfälische Gericht „Stielmus“ (auch als Rübstiel bekannt) war da eines seiner Lieblingsgerichte. Am Nachmittag standen dann die üblichen Gespräche mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern an, sowie Termine beim Verband oder der IHK, ein ehrenamtliches Betätigungsfeld von Gerhard Günnewig. Abends, wurden dann noch einmal alle Betriebe „abgeklappert", wobei die Mitarbeiter, wer könnte es ihnen verübeln, ein internes „Frühwarnsystem" aufgebaut hatten. Doch Gerhard Günnewig wäre nicht Gerhard Günnewig, wenn er es nicht geschafft hätte, bisweilen den „Radar der Mitarbeiter" zu unterfliegen. Und so tauchte er auch manches Mal weit nach Mitternacht vor dem überraschten Nachtportier eines seiner Häuser auf, um sich davon zu überzeugen, dass auch wirklich alles „tiptop" und in Ordnung war, damit die Gäste, die er, wenn sich denn die Gelegenheit ergab, auch gerne persönlich begrüßte, keinen Anlass zu irgendwelchen Klagen hatten, sondern sich im „Ring der Gastlichkeit" rundum wohl fühlten.

Im Gespräch mit Altkanzler Helmut Kohl

Gerhard Günnewig im Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl

Champagner für prominente Gäste

Natürlich gab es für den Chef einer der letzten privaten Hotelkette auch keine Fünf-Tage-Woche und nur bisweilen gönnte er sich am Wochenende Entspannung bei der Jagd im Hunsrück, nicht aber ohne das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und wenigstens auf dem Weg an Kirn und Mosel vorher noch bei den Bonner Betrieben vorbei zu schauen. Bei Güldenroth hatte er eine alte Mühle gekauft und zum Jagdhaus umgebaut. Zweimal im Jahr wurden prominente Gäste aus Industrie, Wirtschaft und Politik, aber auch leitende Mitarbeiter seiner Häuser, zur Treibjagd eingeladen. Und hier wurden dann erlesenere Gerichte als besagter Stielmus-Eintopf von der mitgereisten Hausdame zubereitet: Rehpfeffer, Kaviar und Champagner für die prominenten Gäste. Und zur Tradition gehörte es ebenso, dass das erlegte Wild dann auf die Günnewig-Betriebe aufgeteilt wurde: Wildwochen im Günnewig Hotel.

Gerhard Günnewig und der damalige Bundespräsident Richard von Zeizsäcker

...ind mit dem früheren Bundespräsident Richard von Weißsäcker

Dass junge Menschen Gerhard Günnewig viel bedeuteten und dass er sich gerne mit ihnen umgab, ist überliefert. Er selbst hatte immerhin fünf Kinder. Das fünflinige „G“-Logo der Gruppe bis vor einigen Jahren soll auf die Zahl seiner Kinder zurückzuführen sein. Vielleicht ist gerade die Zusammenarbeit mit der Jugend der Grund dafür, dass Gerhard Günnewig bis ins hohe Aller vital und agil geblieben ist. So entdeckte er, der jedes Pferderennen auf der Düsseldorfer Galopprennbahn besuchte, mit 65 Jahren seine Liebe zum Reitsport. Etwa zur gleichen Zeit beschloss er auch den Bau des Hotel Bristol in Bonn, wobei er bei den Planungen bis ins letzte Detail involviert war.

Aber auch auf dem gesellschaftlichen Parkett war der Stiftungsgründer für so manche Überraschung gut und die Boulevardpresse war dankbar für so manche Schlagzeile, etwa als er nach dem Tode seiner ersten Frau Else auch für seine Kinder unerwartet seine 40 Jahre jüngere zweite Ehefrau Katharina an seinem 83. Geburtstag heiratete.

Dass Gerhard Günnewig drei Jahre vorher mit einem Teil seines Vermögens die Günnewig Stiftung gründete, deren vordringliches Ziel die Förderung des gastronomischen Nachwuchses ist, dürfte allerdings nur Außenstehende gewundert haben. Zeitlebens war ihm wichtig, die Ausbildung in Gastronomie und Hotellerie zu verbessern. Wahrscheinlich ist auch darauf sein bereits erwähntes Engagement in IHK, DEHOGA, Hotel und Gaststättenverband Nordrhein-Westfalen und anderen Fachverbänden zurückzuführen. Würde er heute noch leben, er wäre stolz .zu sehen, wie das zarte Pflänzchen der Stiftung inzwischen Wurzeln geschlagen hat und in den vergangenen Jahrzehnten aufgeblüht ist.